Eröffnungsrede zur Gruppenausstellung
"Rheinhessenprojekte 1"
gehalten am 3.4.2016 von
Christine Hach



Liebe Museumsbesucher, liebe Fotografinnen und Fotografen,

Fotografieren kann jeder und noch nie wurden so viele Fotos gemacht wie heute, Fotos von
denen 90 % die Welt nicht braucht, die nur gemacht werden, weil man mit dem Handy halt
auch Fotos machen kann, und man sich das Erlebte dann irgendwann zu Hause am PC in
Echt ansehen kann. Manchmal habe ich den Eindruck, dass vor lauter Fotografieren die
momentane Wirklichkeit völlig unwichtig wird , weil man ja alles für später auf Foto festgehalten hat.

Solche Fotos sehen wir hier nicht.

Zwischen Mensch und Fotoobjekt befindet sich die Kamera, und auch auf deren allerneuester
High Tech wird immer allergrößten Wert gelegt. Klar brauche ich für bestimmte Aufnahmen das
perfekte Objektiv usw und inzwischen hat die Digitalfotografie fotoqualitätsmäßig aufgeholt und
bietet schon lange leichten Spielraum für technische und künstlerische Experimente.

Aber selbst die beste und teuerste Kamera macht nicht automatisch ein gutes Bild.
Wichtig ist in erster Hinsicht nicht die Kamera, sondern der Mensch dahinter.

Der Mensch , der ein Motiv auswählt, auf besondere Lichtverhältnisse wartet, Prozesse in ihrem
Verlauf festhält, Blick für eine einzigartige Stimmung hat und das dann oft mit einer Engelsgeduld festhält.

Festhalten ist überhaupt das Wort für Fotografie, mit keinem anderen Medium kann man den Bruchteil
einer Sekunde für eine relative Ewigkeit auf Papier , Handy oder Bildschirm bannen.

12 Fotografinnen und Fotografen haben für Rheinhessenprojekte 1 je eine kleine Serie aus ihrem
Fundus für diese Ausstellung zusammengestellt. Es geht immer wieder um Rheinhessen, das das
ganze Jahr Geburtstag hat, und meistens Rheinhessen aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel.

Besonders auffällig ist das bei Esther Winklers Glaskugelbildern, die die Welt aus physikalischen
Gründen einfach und automatisch auf den Kopf stellen. Es sind alles Aufnahmen, die hier am
Pfarrwiesensee entstanden sind und schon einen Vorgeschmack auf eine lange schöne Badesaison geben.

Die Glaskugelbilder schweben wie Seifenblasen durch die ganze Ausstellung und haben auch was
von Seifenblasenzauber und da war garantiert kein Fotoshop dran. Esther Winkler ist aus Gimbsheim.

Auch ungewöhnlich sind die Farbexperimente von Katharina Schmiedel aus Guntersblum, die Vertrautes
wie unser Nachbarort oder das Wasserwerk in ganz neuem Licht und vor allem ganz peppigen Farben
erscheinen lassen, die Fotos wirken wie 70erJahre Siebdrucke.

Ein ungewöhnliches Rheinhessengeburtstagsthema hat sich Carola Seehausen rausgesucht, sie
hat den großen Schrottplatz an der B9 vor Worms über ein Jahr lang in verschiedenen
Aufschichtungsstadien festgehalten. Rheinhessen schmeißt weg, Rheinhessenmüll auf seine
ästhetischste Art, man muss zum Beispiel genau hinschauen, um zu merken, dass die Makroaufnahme
nicht zu der Grüne Fässer-Serie gehört, es sind Flaschenverschlüsse von Rheinhessenwein.

Harald Dittenberger aus Nierstein, ist uns hier nicht nur als freundlicher Postmann bekannt, er macht
auch sehr eindrückliche Fotografien, meistens schwarz-weiß. Schwarz-Weiß versetzt uns Jahrzehnte
zurück, doch Harald Dittenberger geht es nicht um romantische Nostalgie, ein Blick genügt um zu sehen,
dass diese Landschaftsaufnahmen brandneu sind. Nostalgisch wird nur –und das sehr ästhetisch-
Hammer und Amboss der Schmiede Engel aus Nierstein festgehalten.

Was sollen die 2 Portraits von den jungen Männern hier, was haben sie mit Rheinhessen zu tun ?
Es sind Aufnahmen von 2 Obdachlosen aus Worms, Rheinhessen, sie stammen aus einer großen
Serie ,die Achim Bartmann deutschland- inzwischen fast europaweit von Obdachlosen macht. Die
Fotos portraitieren Menschen ohne zuhause auf eine sehr würdevolle Art, und in allen größeren
rheinhessischen Städten gibt es Obdachlose.

Achim Bartmann ist aus Osthofen.

Bei Tilla Kessel geht es in der Bildauswahl dieser Ausstellung nicht um Portraits von Menschen,
sondern um Portraits von Pflanzen, ganz gewöhnlichen Pflanzen wie Margariten, Disteln oder
Flughafer, die gern auch in Rheinhessen wachsen. Besonders ist aber die Art wie kleine
unscheinbare Pflanzen mit dem Gesamtkosmos verbunden werden, Sonne oder Mond und ein
besonderes Licht bewirken den Zauber der Bilder. Von Tilla Kessel aus Nierstein ist auch der
dampfende Rhein mit dem selben Zauber , den ihre Pflanzenportraits haben.

Mit einem Werk ist Hans Bretzer aus Hamm vertreten, Wir denken alle gern an ihn , der dieses
Museum mitgegründet hat , über Jahre im Café geholfen hat und zeitlebens wunderschöne
Naturfotografien gemacht hat. Von Hans Bretzer ist der knallrote Klatschmohn vom Hammer Wörth.
Es sind Aufnahmen aus einer Zeit , als Papierabzüge noch richtig Geld kosteten und für den
Privatgebrauch garantiert nichts nachbearbeitet wurde. Abzüge größer als A4 kosteten ein
Vermögen und eine Ausstellung in diesem Rahmen mit großen Bildern wäre für die Einzelnen
ungeheuer kostspielig gewesen.

Andere wunderschöne Tier- und Landschaftsaufnahmen kommen von Irmi Krebühl aus Gimbsheim.
Ihre Bilder tragen eine eigene Handschrift. Oft wirken sie wie Gemälde aus dem 18.oder 19.
Jahrhundert, es ist die Bildauswahl und das Licht. Mein absoluter Favorit sind die gleichmütigen
Kühe an einem bedeckten Herbsttag irgendwo Richtung Rhein.

Völlig unspektakulär, völlig relaxed , schön und zeitlos.

Technisch raffiniert sind die Nachtaufnahmen mit Spiegelungen und der in letzter Zeit immer
beliebter werdenden Lichtinstallationen, die Vertrautes ganz anders erscheinen lassen.

Die farbigen nächtlichen Beleuchtungen sind eine Mode , die wir von Frankreich übernommen
haben. Sie festzuhalten ,erfordert eine gute technische Ausrüstung und Blick. Die Fotos von
Alessandro Panza aus Gimbsheim sind Postkarten der feinsten Sorte, ich würde sowohl Nierstein
als auch die Innenaufnahme der Gimbsheimer evangelischen Kirche in Auftrag geben. Sehr
viel Rheinhessen gibt es auch von oben bei der Aufnahme über die Flugzeugtragflächen und
der pinkfarbene Rote Hang bei Nacht und Kunstlicht ist auch mal was andres. Karlheinz Günther
aus Bingen ist mit 3 Nachtaufnahmen mit farbigem Licht vertreten, die ähnlich wie Esther Winklers
Fotos immer wieder aufblitzen und Gewohntes einmal anders zeigen. Das Foto von der
Beller Kirche ist besonders verblüffend.

Andreas Blüm ist ein Fotograf aus Worms der diese wunderschöne Aufnahme von der
Wormser Brücke beigesteuert hat, auch postkartenverdächtig. Von ihm ist auch das
Ochsenklavier aus Pfeddersheim auf Acrylglas.

Zum Schluss gibt es noch Rheinhessen von Willi Herwig, der ohne Kamera undenkbar ist,
und der die 2 superrheinhessischen Trullifotos mit blauem Toskana-Rheinhessenhimmel für
den Rheinhessengeburtstag ausgewählt hat, außerdem die sakral schönen Aufnahmen aus
dem Steinbruch in Eckelsheim, die sowohl geologisch als auch ästhetisch viel hergeben,
natürliche Kathedralen und Austernbänke aus einer Zeit, als Rheinhessen noch ein Meer war.

Kuckt Euch die Bilder in Ruhe an, viele der Fotografen sind heute da, löchert sie wegen
technischer Raffinessen oder Aufnahmeorten, das ist auch für die kommenden Sonntage
bis zum 8. Mai geplant, dass man hier immer einen Ansprechpartner hat, der was zu
den Exponaten sagen kann.

Also kommt wieder und bringt Familie und Freunde mit.

Wie immer kommt jetzt das große Danke.

Danke an Willi –wie immer für Mitgestaltung des Plakats und die Betreuung unsrer Web-Site,

danke an Hartmut für Hilfe beim Abbau der Heimat-Ausstellung , mitgeholfen haben dabei
auch unsre 2 somalischen Museumsmitarbeiter Duale und Mustaf.

Für Aufbauhilfe danke ich besonders Carola Seehausen , Tilla Kessel , Alessandro Panza
und Hartmut Noffke, außerdem Harald Dittenberger, Stefi Muth und Mustaf.

Danke an Edda und Helmut Oswald für die rheinhessische Frühjahrsbepflanzung unser Blumenkästen.

Schreibt in unser neues Gästebuch,
geht ins Café Kay und macht Werbung für uns und unser Museum und kommt wieder.

Die Ausstellung ist eröffnet.