Eröffnungsrede zur Gruppenausstellung
"Weit weg"
gehalten von
Christine Hach



WEIT WEG Rede von Christine Hach, 14.1. 2018

WEIT WEG will nicht weite Welt ins kleine Gimbsheim holen oder Fernreise-Promotion leisten. Das wäre viel zu eindimensional , langweilig und belanglos, wir wollen was, WEIT WEG ist vielschichtig und überraschend.
WEIT WEG ist immer eine Frage der Perspektive und relativ.
WEIT WEG ist kolossal emotionsbehaftet und kann mit Sehnsucht , Unüberbrückbarem und Unerreichbarem zusammengebracht werden. WEIT WEG ist was wir verdrängen und nicht an uns heranlassen wollen. WEIT WEG kann sich natürlich auch ganz nüchtern auf räumliche oder zeitliche Distanzen beziehen. Nicht verboten. WEIT WEG hat absurderweise auch immer mit Nähe zu tun und ist die Antwort auf und die Folgeausstellung zu „Heimat ohne Kitsch“, die wir hier vor 2 Jahren eröffnet hatten.
Wie immer haben wir eine wilde spannende Mischung aus Arbeiten von Profis und Laien, von Speicherfunden, ausgeliehenen Promis, Tonsauriern von Kindern, ausgefallen schönen Artefakten aus fast der ganzen Welt, Weltfluchten, Welterklärungsversuchen, Kindheitserinnerungen, Sehnsuchtsorten, Trauriges, Politisches, Trennungsgeschichten.
120 haben Arbeiten eingereicht, 120 machen bei WEIT WEG mit, über die Werke wurde manchmal verhandelt, ich halte nichts davon Teilnehmer auszujurieren. Das Ergebnis umgibt euch jetzt, ich finde, es ist ein Energiepaket geworden, im Idealfall malen die einzelnen Arbeiten auf der Wand zusammen ein neues großes Bild, hauen sich nicht tot , ergänzen sich , im absoluten Idealfall steigern sie sich und haben auch quer durch den Raum miteinander zu tun. Viele Arbeiten erzählen Geschichten, wer möchte, kann sich drauf einlassen.
Was die Demokratie bei einer Ausstellungsrede zu einer Ausstellung mit 120 Beteiligten ein bisschen kaputt macht, ist, dass ich ein paar rauspicken muss- aber Halbsätze zu jedem wären auch unerträglich….
Zur wilden Mischung gibt es jetzt eine strenge Systematik in 7 Punkten und Unterpunkten:

1 Raum:
WEIT WEG
ist die 9. Gruppenausstellung des Museums der Verbandsgemeinde Eich, diesmal haben 120 Erdbewohner Beiträge geliefert, knapp ein Drittel der Beiträge kamen aus der VG Eich, die restlichen 2 Drittel von mehr oder weniger WEIT WEG , , von am weitesten weg kommen als Gruß Fotos von Huda Asfour in Amman in Jordanien, für die wir letztes Jahr eine Benefizaktion gestartet hatten, das entfernteste reale Exponat also das mit dem längsten Transportweg, ist aus Polynesien, viele Beiträge beschäftigen sich mit entlegenen Galaxien , bestimmt habt ihr schon unsre schönen neuen Ufo-Parkplätze im Museumshof gesehen, eine Arbeit von Jens Andres, wir sind bestens vorbereitet, sie können kommen, die kleinen grünen Wesen.
Zuerwartenderweise beschäftigen sich viele Arbeiten mit dem Weltall , dem uns umgebenden Universum- wer weiß schon, ob wir die Einzigen sind und was da draußen alles möglich ist.
Aus dem All sind auf jeden Fall die mit GPS auf dem Handy festgehaltenen Spaziergänge von Hund Bazi und seiner Besitzerin Veronika Olma, wie mit Kugelschreiber auf Landkarten oder Luftbilder gezeichnete Worte oder Bilder sind ihre minutiös geplanten Routen mit Satelitentechnik festgehalten .
Unsere Sicht aufs Weltall oder auch nur die Welt wurde in vielen Arbeiten dokumentiert, irgendwie ist es uns immer wichtig, uns zu positionieren.
17 000 km Luftlinie von hier und wir sind bei dem Tapa aus Tonga- eine Art aus Baumrinde gemachter Stoff , jetzt oben im Archäologieraum. 2 meiner Lieblingsobjekte sind die handgemalten Friseurschilder aus Mali und Burkina Faso, zu denen wir auch extra einen Filmabend mit dem Kameramann Wilfried Saur machen. Die total besoffene Qualle von Dieter Renk ist so weit unten wie möglich, der Flieger gegenüber hoffentlich hoch.
Das Meer ist für uns Festlandeier der Sehnsuchtsort schlechthin, die große Meeressehnsuchtssammlung findet ihr in der Archäologie oben.

2 Zeit
Die Zeit ist auch ein ergiebiges Schlachtfeld. Hier beträgt die Spanne vom zeitlich am weitesten zurückliegenden bis zum brandaktuellsten Objekt ungefähr 150 Jahre, für das Weltall ein Klacks. . Die ältesten Arbeiten sind aus der Mitte des 19.Jahrhunderts, es sind die Schutzengelbilder, die mit Erfindung des Kunstdrucks Massenware wurden und die europäischen Schlafzimmer stürmten, evangelische überraschenderweise übrigens mehr als katholische. Die Schutzengelbilder oder die ebenso beliebten Elfenreigenbilder können wir zwar heute noch lesen, aber sie sprechen nicht mehr so ganz unsrer Sprache und sie haben eher nostalgischen Wert und wir mögen sie, weil sie so schön kitschig sind. Ihre Schutzmacht haben sie fast völlig verloren. Andere Arbeiten sind so aktuell, dass wir sie auch nur mit Hilfe oder Anleitung lesen können, etwa wenn eine Zeichnung nicht mit der Hand und einem Zeichenutensil ausgeführt wird , sondern ergangen und über Hightech- Navigation aufgezeichnet wird, oder uns die Bildsprache unverständlich ist, die Pinselstriche zu wild, das Dargestellte nicht erkennbar. Alles Zeit+ Gewöhnungsfaktoren.

Oder unsre ausgeliehenen Promis, nicht nur , dass sie WEIT WEG ein bisschen mehr Glamour verleihen, sie durften größtenteils auch nur mitmachen , weil sie schon tot sind und die zeitliche Distanz ihrer Arbeiten zu heute die Eintrittskarte war. Und so können wir uns jetzt alle freuen zusammen mit Picasso, Kirchner , Matisse , oder Miles Davis in einer Ausstellung vertreten zu sein. Miles Davis hätte es auch so und lebend geschafft, er war nicht nur der geniale Jazztrompeter, wir haben hier eine aquarellierte Zeichnung von ihm, die für mich so aussieht , als würde jemand einen Blumentopf aus dem 148. Stockwerk nach unten schmeißen, also WEIT WEG.
Er hat die Zeichnung eigentlich zu Sketches of Spain gemacht, vielleicht für ein Plattencover , vielleicht einfach so, für Miles Davis Fans eventuell ein Schnäppchen , wenn auch ein nicht ganz billiges, wir würden das Werk im Auftrag verkaufen.

2b Kindheit

Für die meisten von uns ist die Kindheit WEIT WEG. Die Kindheit verfolgt uns aber ein ganzes Leben, und so gibt es schöne Arbeiten zu Indianerland von Ralf Koch, Collagen zu Winnetou, mit dem fast alle aufgewachsen sind, und auch die mysteriösen Arbeiten von Karin Haase mit den verhuschten Gänsen, die sich auf ein Grimm-Märchen beziehen, haben was mit Kindheit zu tun, genauso wie die roten Koffer von Albert Herbig , die an Urlaubsfahrten aus der Kinderzeit erinnern.

 

3 Poetisches und oder Geschriebenes

Poetisch sind die Arbeiten zur „Gänsemagd“ ,dem Märchen der Gebrüder Grimm natürlich auch. Sehr poetisch ist die Arbeit 1234 von Antoni Tàpies, da steht sogar was drauf, ein schöner Text auf Französisch über einen verlorenen Sommer. Absolut poetisch ist der Text von Stella Frey, die ist 9 und aus Gimbsheim ;Zitat : „ das Supertalent ist weit weg, und das Felsenmeer ist auch weit weg und das Kids in ist in Frankenthal und das ist so weit weg,“ …..Zitatende, das letzte ist ein Spielzeuggeschäft in Bobenheim Roxheim, ca 25 km von hier.
Munzer Kendes kam vor 2 Jahren von Nordsyrien nach Eich, er spricht inzwischen gut Deutsch, schreibt schon immer Gedichte, eins hängt jetzt hier, auf arabisch mit deutscher Übersetzung.

4 a Trauriges, Politisches
WEIT WEG
ist die Heimat der Geflüchteten und noch vor 4 Jahren wäre uns nicht im Traum eingefallen, dass wir seit 2015 Museumsmitarbeiter aus Syrien und Somalia haben würden.
In unsrer Politecke gibt es Fotos aus Krisengebieten von verschiedenen Seiten der Grenzzäune, ein Reisefoto zeigt Aleppo 2004. Der Pferdekopf auf dem Frauenportrait von Qusay Al Saadi, jetzt aus Guntersblum, ist ein arabisches Symbol für Freiheit, für uns nur mit Erklärung lesbar. Hier treffen sich Fernweh und Heimweh.

4 b Trauriges, Persönliches
die Königskinder mit dem unüberwindlichen Gewässer zwischen sich….
Einige Arbeiten sind sehr persönlich und beklagen Trennung oder Verlust von geliebten Menschen. Sehr mutig, solche Arbeiten auszustellen, die findet ihr selbst.
4c /5a Emotionales Psychisches Physisches
die Portraits in 2 und 3 D mit dem abwesenden Blick, der ins geografische, zeitliche oder emotionale WEIT WEG schweift, findet ihr auch selbst.

6 Ufo der Woche

jeden Sonntag um 15:30 gibt es das Ufo der Woche, Informationen + Hintergründe zu warum auch immer abgelegenen und entfernten und daher spannenden Objekten dieser Ausstellung
jede Sonntag eine andere Arbeit. Oder Themengruppe

7 Gruppenausstellung 2019
klingt WEIT WEG , ist aber nicht:
also, traditionell wird am Ende der Rede das Thema der Folgeausstellung im nächsten Jahr verkündet. Es wird unsre 10. große Gruppenausstellung sein, wir wollten was Besonderes und deshalb ist das Thema : Gelb - also entweder ganz schnöde was zur Farbe Gelb, aber noch viel lieber „ das Gelbe vom Ei“- eure Meisterwerke-farblich auch gern ungebunden.

8 baldiges Ende der Rede

Gar nicht WEIT WEG ist unser Museumscafé, das jetzt schon traditionsgemäß zu großen Ausstellungseröffnungen von der AWO Hamm geschmissen wird- da müsst ihr hin, nachdem ihr hier alles angeschaut habt , oder vorher.
Ein herzliches Danke an die AWO Hamm , Ihr seid mit + ohne Torten unschlagbar.

Mit dem großen Danke geht es gleich weiter.
Wir hatten ein phantastisches, selten genervtes Aufbauteam und so eine Ausstellung aufzubauen heißt in der Endphase ab dem Abgabetermin heute vor einer Woche jeden Tag mindestens 8 Stunden, gern auch mal 10 bis vorgestern, Freitag…..
So gut wie hier gewohnt haben Gabi Holla und Carola Seehausen, außerdem Hartmut Noffke, der auch die Ufoparkplätze so schön einflugfreundlich eingeteilt hat, Stefi Muth, Suleman Alfroh, weiterhin geholfen haben Karlheinz Günther , Günter Odermatt, Seth Colin, Renate Vercrüße und Willi Herwig , Willi, danke auch für Homepage + alles mit Computer , Gunter Mahlerwein für Background. Danke der VG Eich für die unproblematische Unterstützung in Bureaukratiefragen für diese Ausstellung.

Das Schlimmste , was einer Ausstellung passieren kann, ist, dass sie nicht besucht wird und sinnfrei vor sich hin dümpelt, das wäre wirklich schade und eine große Energieverschwendung- wir geben unser Bestes, dies zu verhindern, aber auch ihr könnt was tun, macht Werbung auf den euch zugänglichen Wegen und Medien, bringt Freunde und Familie mit, empfehlt WEIT WEG weiter. Verfolgt unser Begleitprogramm und guckt , was passt.
Für meine Begriffe ist für WEIT WEG kein Weg zu weit-
Wir müssen zwar noch mit dem Ordnungsamt klären,
was es kostet, als Nichtaußerirdischer unrechtmäßig und ohne Ufo auf einem unsrer schönen Ufoparkplätze zu parken, ansonsten fühlen wir uns ziemlich gut vorbereitet

WEIT WEG ist eröffnet.