Eröffnungsrede zur Ausstellung
"schöner wohnen"
gehalten von
Christine Hach


Ausstellungsrede von Christine Hach 18.10. 2015

Liebe Museumsbesucher,

Die Idee zu schöner wohnen kam mir als plötzlich überall der Ikeakatalog auf dem Küchentisch
lag, und Schöner Wohnen, das Lifestyle Magazin mit Beratungsfunktion seit 1960 möge uns die
Namensübernahme großzügig verzeihen. Ein weiteres ungenannt bleiben wollendes Möbelhaus
hat letzte Woche mit Wohnen-heute -die Heimat der Seele geworben.

Auch schön. Seele gibt es hier jede Menge. Zurückhaltung war nicht so unsres. Also rein ins möblierte
nicht für alle wohlsortiert aussehende Chaos.

Wohnen und Kunst ist kein Widerspruch, es passt im Idealfall richtig gut zusammen.

Wenn Kunst nicht zur höheren Ehre höherer Wesen gemacht wurde, endete sie auch gern mal in
Privatgemächern, gerne als Andachtsbild, als Hausaltar und genauso gern zum schöneren Wohnen.
Wie wäre denn diese Ausstellung ohne die ganzen entzückenden Möbel ? Auch schön, aber anders.
Die Möbel machen die Kunst normaler, zum Bestandteil des normalen Lebens. Und dass Kunst
normal ist, sehen Sie daran, dass auch Künstler gelegentlich Hunger haben und auch mal einkaufen
gehen. Das Beweisstück hängt da hinten, die Einkaufsliste von Dieter Renk ist echt. Über dem
30er-Jahre-Sofa.

Und auf diesem Sofa haben Sie einen fantastischen tiefer gelegten Blick auf 2- und 3- dimensionale
Werke, die diesen Perspektivwechsel gut verkraften. In relaxter Haltung kann man sich Kunst auch
länger und schöner anschauen.

Wie Sie sehen, haben wir nicht nach Künstlern getrennt Werke präsentiert , sondern so kombiniert,
dass die Arbeiten miteinander können, eventuell miteinander korrespondieren und auch die Möglichkeit
haben , sich mit den simulierten Wohnzimmern und Küchen anzufreunden. Wie daheim eben, im Idealfall.

Bloß keinen Krach. Der Aufbau ging reibungslos.

Trotzdem und gottseidank hat schöner wohnen etwas lautes, schroffes , sperriges, erstmal unzugängliches,
aber auch liebenswertes und sehr persönliches. Und schöner wohnen ist eine der gut gelauntesten
Ausstellungen , die wir je hatten.

Jetzt zu den Werken. Was essen Künstler so ? Nachlesen können Sie das auf der schon erwähnten
Einkaufsliste. Zitronen, Karotten, Sahne, Joghurt, Leergut weg ……., ist das jetzt Kunst ?
Dieter Renk nimmt oft häusliche Fundstücke vom Küchentisch, Kritzel, Schmier+ Erinnerungszettel ,
wie sie wahrscheinlich fast jeder hat, und macht daraus großformatige Kunstwerke, er überträgt
Superalltägliches in Kunst. Er schraubt den ganzen Alltagswahnsinn herunter auf Wesentliches.
Wenn ich Dieter Renks Arbeiten mit einem Wort beschreiben müsste, wäre es super basic - weniger
geht nicht. Und das Ganze rotzig und schnell, hochkonzentriert, perfekt auskomponiert.

Unser Titelbild „2 Gurken fahrn in Urlaub“ ist dafür sehr anschaulich.

Es gibt 2 Gurken , grün, und eine Karre und da ist kein Strich zu viel. Vielleicht können Sie auch
goutieren, wie sich die Speichen der Karrenräder mit den knuffigen Armlehnen unseres Prunksofas
angeglichen haben oder eventuell auch umgekehrt.

Dass freiwilliger Wohnraumwechsel wie Urlaub Gefahren mit sich bringen kann, sehen Sie auf dem
Folgebild „Gurkentraum“, es gab wohl einen Unfall, die Karre ist umgekippt, die Gurken liegen nicht
mehr ganz so grün im Dreck. Aus der Traum . Aber das Bild ist schön.

Da die Werke der 3 Ausstellenden so unterschiedlich sind, haben wir auf Namenschilder verzichtet,
jetzt aber trotzdem ein paar Tipps zur besseren Auseinanderhaltung.

Dieter Renks präferierte Farben sind rosa, grün, Pastell- und Schmiertöne, Blau ist komplett abwesend.
Dafür liebt Violetta Vollrath Blautöne und baut auch immer mal wieder die Putzgitterabdrücke ein, die
sofort Architekturfunktion übernehmen. Also eher blau + Putzgitter: Violetta Vollrath.

Violetta Vollraths Arbeiten sehen auf den ersten Blick so freundlich und idyllisch aus, es gibt florale
Stempel , angenehm fließende Farben , zarte übereinander liegende Farbschichten, manchmal hat
man fast eine Seidenstoffanmutung , die Bildwelt scheint in bester Ordnung zu sein. Tatsächlich
bewegen Violetta Vollrath aber immer gesellschaftskritische Themen wie globaler Handel,
Umweltthemen und die Beziehung von Mensch und Tier mit dem Fazit , dass die Tierart Mensch
allem anderen eher schadet. Es gibt immer viel zu entdecken zwischen, über und unter den vielen
Farbschichten, Umrisszeichnungen von Tieren, Wracks und Ruinen, von uns, den Menschen,

bleibt am Ende nur Schrott.

Schluss mit der Idylle- wenigstens für den Kopf-.

Die Bilder verbreiten ja weiterhin den Zauber von orientalischen Stoffen oder von irgendwas
Sphärischem. Ganz besonderer Fan bin ich von Violettas Mülleimerkatzen, das sind die
Kleinformate, ich glaube, es gibt hier 14 zur Auswahl- und ähnlich wie bei ihren großen
Arbeiten sind es wieder Suchbilder, klar ist es erstmal eine Farbexplosion, aber irgendwann
tauchen aus dem Nebel , aus dem Matsch hinter dem Maschendraht und natürlich zwischen
den Mülltonnen Umrisse von Katzen auf, Stadtkatzen in unwirtlichen Stadtlandschaften.
Die Mülleimerkatzen haben bei allem Kleinformat eine ungeheure Wucht, einen
schmissigen Farbauftrag und eine urbane Lichtführung .

Alles was nicht rosa-grün oder Putzgitter blaugrünviolett ist, ist dann also von mir.

Besonders wenn es Skulpturen sind. Ich war völlig angetan, wie gut sich mein klassisches
grünes oder fettes Noppengras mit Dieters Gurken und mit Violettas Putzgittern verträgt.

Das Noppengras gibt es schon seit 15 Jahren in verschiedenen Wachstumsstadien und
ich baue es immer wieder gern. Für Psychodelicfans empfehle ich das fette Noppengras
lange von oben zu betrachten, das spart viele Drogen. Der blaugrüne Stachelspargel hat
sich farblich Violettas Arbeiten angenähert, die Form mit den schroffen Stacheln finden
Sie in der großen Arbeit von Dieter nebendran in 2-D. Schade , dass dieses Bild keinen

Titel hat, ich glaube , ich hätte es „mehr gießen“ genannt. Ganz frisch , fast noch warm ist
mein Rotlicht, das mit An- und Ausschaltstachel versehen, zuverlässig keinen Strom frisst
und hier als Leselampe gut zu den wunderhübschen Sesseln passt…

Seit vielen Jahren arbeite ich auch wieder figürlich, Daphne ist die mythologische Frau ,
die immer auf der Flucht vor einem Lover ist und sich schließlich in einen Baum verwandelt.

Bevor zu viele Fragen zu dem Herztattoo auf dem Baumrindenrücken der Dame kommen,
ich habe mich im Anfangsbuchstaben des Lovers geirrt, der richtige fängt mit A an , kann
man in Ovids Metamorphosen nachlesen, oder es auch bleiben lassen. Bei Tattoos und
gebranntem Ton sind Fehler immer etwas ungünstig. Meine Zeichnungen zeigen oft eine
brutale Körperlichkeit, fast eher Körperlandschaften- sie sind schroff und zügig gezeichnet
und freiwillig weit von Germany´s next Topmodell entfernt.

Die Zeichnungen haben mit schöner wohnen zu tun, die meisten Frauen liegen oder
kauern auf diversen Möbelstücken ,die Zeichnungen hängen wenn möglich nahe der
entsprechenden 3-D-Möbel. Es sind Interieurs, also bei mir gibt’s Wohnen von Innen,
bei Violetta eher Wohnen von Außen.

Vorne auf dem wunderhübschen Regal liegen Preislisten , da stehen auch die Titel der
Arbeiten drauf, und ich finde, dafür gehört uns wenigstens ein mittlerer Literaturpreis für :

2 Gurken fahrn in Urlaub , Gurkentraum, schlaflos mit 2 Katzen oder Alles wird gut 7.

Ihr könnt übrigens alles kaufen, außer den Möbeln.

Gimbsheim Museum goes international, seit letzter Woche haben wir 2 neue Mitarbeiter,
Mohammed Saleh Suleiman aus Syrien und Duale Hassan Gaphaneh aus Somalia.

Wir freuen uns sehr , dass ihr uns jetzt unterstützt.

Jetzt kommt das große Danke:

Danke an Anita und Jakob Scheller für das rote Sofa, den Fernseher von 1958 und den
Zeitungsständer. Alle anderen Möbel gehören mir oder dem Museum.

Danke an Suleiman und Tom, die mit mir gutgelaunt sperrige Möbel von diversen Speichern
runtergeschleift haben. An Suleiman für einen langen Überstundentag Aufbauhilfe, an Gunter
für Transport+ Aufbauassistenz, Hartmut für lastminute Instandsetzung des ganzen Ladens,

Edda und Helmut Oswald für die Herbstbepflanzung, Salah , Momen , Mohammad und Suleiman für
logistische Verschiebungsarbeiten im Archäologieraum , Tom Thiel für Malerarbeiten.
Willi für Computerassistenz.

Jetzt könnt ihr bis zum 13.12. hier schöner wohnen, danach kommt im Januar die
Riesenausstellung HEIMAT ohne Kitsch, die Ausschreibung dafür liegt auf dem Regal,
+steht auch schon auf unsrer web-site .

Schreibt in unser Gästebuch, esst viel Kuchen,und empfehlt uns weiter.

Die Ausstellung ist eröffnet.